
Das Wort des Jahres wird unpolitisch
Mit # wurde in der Schweiz im Jahr 2014 erstmals ein Zeichen zum Wort des Jahres gekürt. Abgesehen davon, dass das Zeichen ohne Wort dahinter eigentlich nur „Hash“ ausgesprochen wird, wie Thomas Benkö schreibt, kann man die Wahl auch in der Rückblende und im Vergleich zu unserem deutschsprachigen Nachbarn im Norden kritisch betrachten.
Schweiz | Deutschland | |
2003 | Konkordanz | Das alte Europa |
2004 | Meh Dräck | Hartz IV |
2005 | Aldisierung | Bundeskanzlerin |
2006 | Rauchverbot | Fanmeile |
2007 | Sterbetourismus | Klimakatastrophe |
2008 | Rettungspaket | Finanzkrise |
2009 | Minarettverbot | Abwrackprämie |
2010 | Ausschaffung | Wutbürger |
2011 | Euro-Rabatt | Stresstest |
2012 | Shitstorm | Rettungsroutine |
2013 | Stellwerkstörung | Grosse Koalition (GroKo) |
2014 | # |
Beim Betrachten der Tabelle fällt auf, dass sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland politische Themen überwiegen, die zudem oftmals eine negative Konnotation haben. In Deutschland hat einzig der Begriff „Fanmeile“ im Zusammenhang mit der Heim-WM 2006 keine politische Komponente; in der Schweiz sind es mit „Meh Dräck“, Shitstorm, Stellwerkstörung und # deren vier. In den drei letzten Jahren waren es jeweils unpolitische Begriffe, was für die Schweiz, welche unter anderem wegen der direkten Demokratie stark vom politischen Diskurs geprägt ist, doch erstaunt. Zudem lassen sie sich rückblickend schlecht mit einem spezifischen Ereignis in Verbindung bringen, was aber auch daran liegen kann, dass sie seither fest im Sprachgebrauch verankert sind. Wenn man dem Wort des Jahres Relevanz beimisst und eine Erwähnung „Impact“ bedeutete, käme man zum Schluss, dass die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 weniger gravierende Auswirkungen gehabt hat als das Minarettverbot oder die Ausschaffungsinitiative. Ist # tatsächlich relevanter, oder hat gesellschaftlich mittel- und langfristig grössere Auswirkung? Ist dies überhaupt der Anspruch an das Wort des Jahres, und lässt sich das vergleichen? Hat die illustre Jury sich kurzerhand entschieden, Veränderungen im Sprachbild stärker zu berücksichtigen als politische Debatten? Wie dem auch sei: über Sinn und Unsinn des Worts des Jahres lässt sich streiten. Ebenso über den diesjährigen Gewinner. Oder um es salopp in den Worten jener wie dem Musiker Etienne de Crécy auszudrücken, die sich über den zuweilen inflationären Gebrauch von Hashtags mokieren, ↵⇥Hashtag My Ass.