
Betriebsblindheit und Kommunikation in der Krise
Der Fall der Hitler-Kaffeerahmdeckeli, der diese Woche für mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat*, zeigt die Tücken der Krisenkommunikation. Dabei lohnt es sich den unterschiedlichen Umgang mit der Öffentlichkeit der zwei involvierten Akteure – die Migros und der Kaffeerahmdeckeli-Produzent – genauer unter die Lupe zu nehmen.
Nachdem die Migros zwei Wochen zuvor bereits mit einem peinlichen Übersetzungsfehler für Schlagzeilen gesorgt hatte („Die Migros haut uns in die Pfanne“), standen die Alarmzeichen in der Kommunikationsabteilung vermutlich bereits auf Rot. So erkannte man bei der Migros sofort das Skandalisierungspotential der Hitler-Kafferahmdeckeli. Ohne Zeit zu verlieren räumte man den Fehler ein, entschuldigte sich in aller Form, versprach Massnahmen zu ergreifen, um die Wiederholung eines ähnlichen Vorfalles in Zukunft zu verhindern und verbreitete diese Mitteilung über diverse Kommunikationskanäle. Mit diesem raschen und gezielten Vorgehen erstickte die Migros potentielle Kritik im Keim und verhinderte eine mögliche Eskalation.
Wie die Berichterstattung vermuten lässt, kamen die Verantwortlichen der Berner Zuliefererfirma bei der Bewertung der Situation zu einem anderen Schluss. Am Tag nach der Enthüllung des Vorfalles wurde der Geschäftsführer mit der Aussage zitiert, er verstünde die Aufregung nicht und er sei sich keinerlei Fehlverhalten bewusst. Das Problem sah er bei der Migros-Tochter, welche die Rahmdeckeli, die eigentlich für Sammler bestimmt waren, an Gastro-Unternehmen auslieferte. Was die Auswahl der Sujets betraf, so fand er: „Dass Hitler und Mussolini drauf sind, habe ich schon gesehen. Ich fand das nicht problematisch.“
Es war dieser letzte Satz, der dem Unternehmen wohl zum Verhängnis wurde und die Migros schliesslich veranlasste sich öffentlich von seinem Zulieferer zu distanzieren („Hitler-Rahmdeckeli – Migros schmeisst Produzenten raus“). Zwar waren die Rahmdeckeli offenbar nicht für gewöhnliche Konsumenten, sondern für Sammler bestimmt. Die Fokussierung auf die Sammlerperspektive verstellte dem Deckeliproduzenten jedoch den Blick auf die politische und gesellschaftliche Konvention, dass Bilder zum Nationalsozialismus in der Regel nicht wertneutral, sondern stets im Kontext einer kritischen Auseinandersetzung verbreitet werden (“Hitler ist kein Enzian”).
Auch wenn wohl keine bösen Absichten dahinter steckten, erweckte der Unternehmer mit seiner Aussage er fände die Sujets unproblematisch den Eindruck er würde Adolf Hitler und den Nationalsozialismus banalisieren. Es zeigt die „Betriebsblindheit“, der Personen oder Unternehmen zum Opfer fallen können, wenn sie ungeschult sind im Umgang mit der Öffentlichkeit und den Medien. Eine externer Blick und Rat hätte das Unternehmen wohl vor einer Eskalation der Situation bewahren können.
* Zu Beginn der Woche meldete „20 Minuten“, dass die Migros Tochter-Firma Elsa Mifroma, insgesamt 300 Schachteln mit Kaffeerähmchen in den Umlauf gebracht habe auf deren Deckel u.a. die Portraits von Adolf Hitler und Bennito Mussolini abgebildet waren. Die Migros entschuldigte sich rasch und verwies auf eine Berner Zuliefererfirma, die für die Sujets der Kaffeerahmdeckeli verantwortlich sei. Als der Geschäftsführer dieser Firma am Folgetag mit der Aussage zitiert wurde, er verstünde die Aufregung nicht und sei sich keiner Schuld bewusst, verkündete die Migros innert Tagesfrist das Ende der Geschäftsbeziehung.