
Liebt diese Journalistin ihren Job?
Das Erstaunen war gross, als die NZZ am Sonntag in einem jüngst publizierten Porträt über Stefanie Heinzmann im Titel suggestiv fragte, ob diese ihren Bruder liebe.
Erstens war man sich diese Art von Artikel mit entsprechendem Titel aus dem Hause NZZ bisher nicht gewohnt. Es beschleicht einen beim Lesen des Artikels das Gefühl, dass die Journalistin den Artikel mit dem Ziel schrieb, die These, welche der Blick bereits im April mehr oder weniger subtil aufgeworfen hatte, zu untermauern.
Natürlich verfügt die NZZ am Sonntag über eine eigenständige Redaktion, welche von der täglich erscheinenden „Alten Tante“ unabhängig ist. Allerdings verlaufen auch hier die Grenzen zunehmend fliessend, spätestens dann, wenn die „offizielle“ NZZ den Artikel auf ihrer Facebookseite postet und der Moderator versucht, aufgebrachte Leser zu beschwichtigen. Der NZZ sollte es daran gelegen sein, auch bei der am Sonntag erscheinenden Publikation dieselben Qualitätsstandards anzusetzen, will man den eigenen Namen nicht in Verruf bringen.
Zweitens ist zu hoffen, dass der Titel durch die Journalistin selber und nicht durch die Blattmacher gesetzt wurde. Es ist keine Seltenheit, dass Journalisten – abhängig von der Seniorität – über die Titelvergabe kein Vetorecht ausüben können. Dass der Artikel hohe Wellen schlagen dürfte, war den Beteiligten bestimmt klar und dürfte mit einer Portion Kalkül verbunden gewesen sein.
Man muss der NZZ (am Sonntag) allerdings anrechnen, dass sie sich – anders als Ende 2014, als der damalige Chefredaktor Markus Spillmann einer Journalistin für etwas Publiziertes in den Rücken fiel – hinter die Journalistin stellt, und man in diesem Fall nicht fehlende Kontrollmechanismen für das Erscheinen des Artikels verantwortlich macht.