Man

Redaktioneller Inhalt und Werbung: Die Grenze verschwindet

Published: 2016

Das SVP-Ref­er­en­dum gegen die Asylge­set­zre­vi­sion hat­te in der Volksab­stim­mung vom 5. Juni keine Chance. Die SVP hat­te dieses Resul­tat wohl kom­men sehen, als sie sich entsch­ied, in diesem Abstim­mungskampf auf Inser­ate und Plakate zu verzicht­en. Aus­sicht­s­los. Begrün­det wurde der Inser­aten­boykott” von Christoph Blocher in der Schweiz am Son­ntag allerd­ings damit, dass fast alle Redak­tio­nen partei­isch gegen die Durch­set­zungsini­tia­tive gekämpft hät­ten: Sollen wir für den Inser­at­er­aum zahlen, wenn die Geg­n­er ihre Argu­mente gratis pub­lizieren kön­nen?” Eine Abstra­fung missliebiger Presseerzeug­nisse also. Ist damit die Unab­hängigkeit der Redak­tio­nen und die Tren­nung von redak­tionellem Teil und Wer­bung wieder ein­mal in Gefahr? Der Zun­der war entfacht.

Öl ins Feuer goss dann BaZ-Ver­leger und ‑Chefredak­tor Markus Somm, als er Anfang April in einem Talk auf Radio 1″ sagte: Ich kann nicht erwarten, dass ein Inser­ent ein Inser­at schal­tet, wenn ihm die ganze Zeit auf der Nase herumge­tanzt wird.” Ver­leger-Präsi­dent Hanspeter Lebru­ment leis­tete Sup­port. Er liess sich in der NZZ am Son­ntag so zitieren: Eine saubere Tren­nung zwis­chen dem Werbe­markt und dem redak­tionellen Teil ein­er Zeitung ist viel schwieriger gewor­den als vor zwanzig Jahren, als es die finanzielle Lage erlaubte, die redak­tionelle Unab­hängigkeit über alles zu stellen.” Die Debat­te zog weite Kreise und war sog­ar für die Frank­furter All­ge­meine Zeitung FAZ” ein län­ger­er Artikel wert.

Schliesslich brachte der Presser­at an der Ple­nar­sitzung vom 24. Mai seine Miss­bil­li­gung und sein Unver­ständ­nis zum Aus­druck”, dass sich lei­t­ende Per­sön­lichkeit­en des Ver­legerver­ban­des Schweiz­er Medi­en” zu solchen Aus­sagen hin­reis­sen liessen, auch wenn die wirtschaftliche Lage derzeit schwierig sei. Die Unab­hängigkeit der Redak­tion und die deut­liche Tren­nung zwis­chen redak­tionellem Teil und Wer­bung seien für die Glaub­würdigkeit der Medi­en unab­d­ing­bar und Grundpfeil­er ihrer Daseins­berech­ti­gung. Diese grundle­gen­den Prinzip­i­en” in Frage zu stellen, werte er als gefährliche Entgleisung”.

Eine edle Hal­tung, aber auch etwas naiv. Die gedruck­te Zeitung ste­ht als Wer­be­plat­tform längst nicht mehr dom­i­nant und erst recht nicht alleine da: Alter­na­tive Möglichkeit­en geben den Wer­bekun­den mehr Hand­lungsspiel­raum. Die Kom­merzial­isierung der Medi­en­branche lässt die Medi­en selb­st neue Wege beschre­it­en, um die Bedürfnisse der wer­ben­den Wirtschaft zu befriedi­gen. Seit einiger Zeit und vor allem in den Online-Medi­en ist Native Adver­tis­ing ein Ver­such, Pro­duk­te in einem redak­tionellen Umfeld zu bewer­ben. Artikel unter dem Titel 10 ulti­ma­tive Reisetipps für Ferien mit Flug”, 10 Gründe, warum Schoko­lade glück­lich macht” oder 19 Fan-Artikel für die EM, die kein Men­sch (bei Ver­stand) will” sind von dieser Art. Diese soge­nan­nten Lis­ti­cles (Artikel in Lis­ten­form) wur­den zu ein­er beliebten jour­nal­is­tis­chen Form stark­er Verkürzung. Häu­fig dienen sie als Gefäss für bezahlte Wer­be­botschaft, lieber weniger denn mehr als solche gekennze­ich­net; so etwa bei Buz­zFeed”, Blick am Abend” oder Wat­son”. Die Gren­ze zwis­chen redak­tionellem Con­tent und Wer­bung ver­schwindet. Auch Finanz und Wirtschaft” bietet Native Adver­tis­ing an und erk­lärt dieses Wer­be­for­mat in ein­er Präsen­ta­tion fol­gen­der­massen: Native Adver­tis­ing (natür­liche Wer­bung) ist ein visuell im FuW-Con­tent inte­gri­ertes Wer­be­for­mat. Diese Anzeige – ein­er Pub­lire­portage nicht unähn­lich – ist nicht auf den ersten Blick als Wer­bung zu erken­nen und gle­icht dem vom User gewohn­ten Inhalt.” FuW” ver­spricht denn auch unverblümt, diese kom­merzielle Kom­mu­nika­tion erhalte höch­ste Aufmerk­samkeit dank Inte­gra­tion in den FuW’-Content”.

Inter­es­sant wäre eine Stel­lung­nahme des Presser­ates zu dieser Diskrepanz zwis­chen seinem Anspruch und der Wirk­lichkeit im Medi­en­markt. Denn die als Anleitung für das indi­vidu­elle Ver­hal­ten (1999!) erlassene Erk­lärung der Pflicht­en und Rechte der Jour­nal­is­ten” ist für die struk­turelle Erschei­n­ung des Ineinan­der­fliessens von Wer­bung und Redak­tionellem unzureichend.

Go back


To top