Boot aus Zeitungspapier

Ausmisten hilft der Glaubwürdigkeit

Published: 2017

Und wann stirbt meine Zeitung? Das mögen Sie sich auch schon gefragt haben. Falls Sie über­haupt noch auf Papi­er lesen. Vom Nieder­gang der Print-Medi­en ist die Rede. Allerd­ings nicht erst heute: Schon das Aufkom­men von Radio und Fernse­hen wurde dafür ver­ant­wortlich gemacht, dass die Zeitung ihren Höhep­unkt in den 1920er-Jahren hin­ter sich hatte.

Die aktuellen Verän­derun­gen bei der Medi­en­nutzung sind aber in ihrem Aus­mass von beson­der­er Bedeu­tung: Sie betr­e­f­fen jeden und jede, tagtäglich, stündlich und wo man auch ist. Ein beson­deres Phänomen ist die gegen­läu­fige Entwick­lung von zunehmender Medi­en­nutzungszeit (elek­tro­n­is­ch­er Kanäle) und abnehmender Glaub­würdigkeit der Medi­en. Jeden­falls sor­gen sich die Medi­en­mach­er selb­st um Let­zteres: Für Schweiz­er Jour­nal­is­ten ist derzeit das The­ma Glaub­würdigkeit die grösste Her­aus­forderung.

Da fragt man sich: Warum geben sich die Men­schen immer länger mit Medi­en ab, denen sie nicht mehr ver­trauen? Schlägt jet­zt das Pen­del um? Ist Print“ schliesslich der Sieger? Jeden­falls zeigen sich bei den Medi­enkon­sumenten angesichts des medi­alen Überange­bots erste Über­forderung­s­ten­den­zen. Diese Sit­u­a­tion eröffnet Chan­cen für medi­ale Leucht­türme mit Ori­en­tierungs­funk­tion. Vor dem Hin­ter­grund, dass Mil­liar­den Nutzer von Face­book, Snapchat etc. die sozialen Medi­en als ser­iöse Quelle betra­cht­en, erwächst dem Qual­ität­sjour­nal­is­mus eine neue Auf­gabe: Er muss nicht nur Nachricht­en sam­meln und ver­bre­it­en, son­dern ver­mehrt auch bere­ini­gen“, sagt der rus­sis­che Medi­en­forsch­er Vasi­ly Gatov, der an der Uni­ver­si­ty of South­ern Cal­i­for­nia (Annen­berg Cen­ter on Com­mu­ni­ca­tion Lead­er­ship & Pol­i­cy) zur Zukun­ft des Jour­nal­is­mus lehrt. 

Im Auswerten“ sieht Gatov den Trend im Jour­nal­is­mus, den einzi­gen seines Eracht­ens. Denn das grundle­gende jour­nal­is­tis­che Handw­erk hat sich kaum verän­dert. Auswerten“ war schon ein­mal wichtig: im und nach dem Zweit­en Weltkrieg. Heute kommt die Gefahr weniger als organ­isierte Pro­pa­gan­da daher, son­dern in Form der Mil­lio­nen von Autoren in den sozialen Medi­en, wo es keine redak­tionelle Kon­trolle gibt, son­dern einzelne Men­schen Inhalte und Mei­n­un­gen ungeprüft veröf­fentlichen kön­nen. Die Weisheit der Massen lässt aber eher Echokam­mern und Infor­ma­tions­blasen entste­hen, als dass sie tat­säch­lich etwas Neues her­vor­bringt. Die Leute ver­sauern in ihrem eige­nen Mei­n­ungs­brei, ihre Welt­sicht verengt. Es braucht deshalb auch in Zukun­ft die klu­gen Gedanken. Soziale Net­zw­erke sind mit­tler­weile allerd­ings auch etablierte Werkzeuge im redak­tionellen All­t­ag. 58 Prozent der Medi­en­mach­er geben an, sie für Recherchezwecke einzuset­zen. Wer dies aus bloss­er Bequem­lichkeit tut, ver­gisst, dass die jour­nal­is­tis­che Quelle immer die reale Per­son sein muss, nicht ihre Medi­en­präsenz. Das Leben find­et nun mal nicht in den sozialen Net­zw­erken statt, son­dern draussen in der wirk­lichen Welt.

Die hehren Vorstel­lun­gen von gutem“ Jour­nal­is­mus sind ja löblich. Aber wer soll ihn berap­pen? Der an der Uni­ver­sität Zürich tätige Medi­en­pro­fes­sor Otfried Jar­ren sagt, nur 5 bis 8 Prozent der Bevölkerung wür­den sich so sehr für Poli­tik inter­essieren, dass sie bere­it wären, für poli­tis­che Nachricht­en zu bezahlen. Die etablierten Medi­en müssen aber auf wirtschaftlich starken Beinen ste­hen, son­st wer­den sie angreif­bar in ihrer Unab­hängigkeit – dies ist nach der Glaub­würdigkeit und noch vor der Wirtschaftlichkeit der zweitwichtig­ste Aspekt, um den sich die Schweiz­er Jour­nal­is­ten sor­gen. In diesem Zusam­men­hang wird es für Anbi­eter jour­nal­is­tis­ch­er Inhalte zunehmend wichtig, sich neb­st den Ein­nah­men aus Abon­nements und (eher rück­läu­figer) Wer­bung neue Geldquellen aus der Zusam­me­nar­beit mit Ver­bre­itungskanälen zu erschliessen: Für Face­book ist es wichtig, den Guardian in ihrem Feed zu haben, für den Guardian ist es wichtig, Face­book als Ver­bre­itungskanal zu nutzen“, sagt Gatov.

Die Schlüs­sel­rolle spielt weit­er­hin der Jour­nal­ist. Was muss er tun, um auch in Zukun­ft gele­sen zu wer­den? Das, was er schon immer tat: Er muss sich als Geschicht­en­erzäh­ler ver­ste­hen und seine Arbeit exakt erledi­gen. Wenn er Ihr Inter­esse, Ihre Neugi­er weckt, stirbt auch Ihre Zeitung nicht! Egal, ob Sie sie auf Papi­er oder am Bild­schirm lesen, denn: Print oder Dig­i­tal, das ist schon längst nicht mehr die Frage – entschei­dend für die grösste Her­aus­forderung, die Glaub­würdigkeit, sind die Sto­ry, die Quellen und die jour­nal­is­tis­chen Tugenden. 

Und was hat dies mit der Tätigkeit ein­er Kom­mu­nika­tion­sagen­tur zu tun? Let­ztlich ist auch die Agen­tur auf glaub­würdi­ge, kom­pe­tente Plat­tfor­men für ihre Botschaften angewiesen. Hier find­en sie die gebührende Beach­tung und dro­hen nicht gle­ich in der näch­sten Welle des medi­alen Ozeans wieder zu verschwinden.

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