Löwe

Auf der Jagd nach dem nächsten Shitstorm

Published: 2015

Die Empörung in den sozialen Medi­en war gross, als diese Woche die Mel­dung auf­tauchte, dass ein Amerikanis­ch­er Zah­narzt und Hob­byjäger in Sim­bab­we einen als Touris­te­nat­trak­tion bekan­nten Löwen erlegt habe. Der Pfeil aus dem Köch­er des Jägers set­zte dem Löwen nur unmerk­lich mehr zu als der darauf fol­gende Shit­storm dem Jäger. Warum diese Empörung, und wozu?

Fakt ist laut diversen Medi­en­bericht­en, dass der Löwe zum Abschuss ille­gal aus einem Nation­al­park gelockt wor­den sei. Fakt ist aber auch, dass die Gross­wild­jagd in Gren­zen erlaubt und ein ein­träglich­es Geschäft ist. Dass der Abschuss des Löwen keine Rand­no­tiz blieb, son­dern vielmehr Demon­stra­tio­nen und ein inter­na­tionales Echo aus­löste, hat mehrere Gründe:

  1. Der Löwe war kein x‑beliebiges Exem­plar, das schlimm­sten­falls mit ein­er Attacke auf ein Safari-Jeep auf sich aufmerk­sam gemacht hätte, es war ein bekan­nter Löwe. Ähn­lich also, wie eine Autopanne von Cather­ine Zeta-Jones halt ein­fach mehr Inter­esse weckt, als die des Nach­barn um die Ecke.
  2. Der Löwe wurde nicht ein­fach erschossen, son­dern mit einem Arm­brustpfeil ver­let­zt, dann offen­bar gesucht, gehet­zt und nach über 40 Stun­den mit einem Gnaden­schuss zur Strecke gebracht. Dieses archais­che Jägerver­hal­ten liegt ausser­halb der gängi­gen moralis­chen Nor­men unseres Kulturverständnisses.
  3. Die Gross­wild­jagd liegt ausser­halb der finanziellen Möglichkeit­en des Durschnitts. Ein willkommen­er Zwis­chen­fall also, um klarzustellen, dass sich reiche Leute vor dem Gesetz nicht mehr erlauben kön­nen als die anderen, ger­ade weil der Neid den Ver­dacht auf das Gegen­teil immer wieder nährt.
  4. Ver­stärk­end wirken die Bilder von Abnei­gung und Mitleid: Das über­trieben schillernde Weiss der lächel­nden Zah­n­rei­he des Zah­narztes kon­trastiert mit dem toten Löwen, der auf einem anderen Bild als Jagdtrophäe mit geschlosse­nen Augen daliegt.
  5. Das Prob­lem ist über­schaubar und damit für alle fass­bar. Jed­er kann mitre­den, und die Posi­tio­nen von Gut und Böse sind sehr ein­fach abzusteck­en. Plus: Das Ereig­nis ist abge­se­hen von der Empörungs­be­wirtschaf­tung abgeschlossen. Man kann sich also während ein paar Tagen darüber echauffieren und dann wieder zum All­t­ag übergehen.

Bleibt die Frage, wozu die grosse Aufmerk­samkeit in diesem Fall dient. Wün­schbar wäre ja, dass die Anteil­nahme der Tausenden von Men­schen – ganz nach dem Konzept der Schwarmintel­li­genz – eine kon­struk­tive Auseinan­der­set­zung mit dem The­ma zur Folge hat, die sicht­bare Verbesserun­gen in welche Rich­tung auch immer bringt. Da dif­feren­zierte Kom­mentare aber von der emo­tionalen Law­ine an Posts und Tweets erdrückt wer­den, bleibt die kollek­tive Empörung eine Befriedi­gung des eige­nen Unter­hal­tungsanspruchs. Das braucht man nicht zu qual­i­fizieren. Das Enter­tain­ment ist ein­fach ein wesentlich­er Aspekt der sozialen Medi­en. Und nicht zulet­zt deshalb taucht auch immer wieder ein näch­ster Shit­storm auf.

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