
Ungewissheit ist Teil jeder Krise
In seinem Meinungsartikel, der am 27. März in verschiedenen Tageszeitungen erschien, fordert der ehemalige Diplomat Thomas Borer vom Bundesrat klare Perspektiven. Die Landesregierung müsse jetzt sagen, wie es nach dem 19. April in der Corona-Krise weitergehe. Grund gemäss Borer: Nur so könne der Bundesrat das in ihn gesetzte Vertrauen der Bevölkerung erhalten; in der Krise schade nichts mehr als Ungewissheit.
Ungewissheit ist Teil jeder Krise. Deshalb ist die Planung unterschiedlicher Szenarien und entsprechender Massnahmen der Königsweg, um eine Krise zu bewältigen. Bei der Corona-Krise ist die Ungewissheit grösser und länger als bei anderen Krisen. Vermutungen zur weiteren Verbreitung des Virus und zur Mortalität bei einzelnen Bevölkerungsgruppen werden erst dank der Daten, die gegenwärtig gesammelt werden, mit der Zeit zu Fakten. Auf dieser Basis lassen sich dann die Risiken besser einordnen. Es kommt hinzu, dass die Krise nicht auf ein Land oder ein einzelnes Unternehmen begrenzt sondern von globaler Dimension ist.
Ungewissheit ist schädlich, ja. Wenn man sie aber nicht einfach aus der Welt schaffen kann, so kann man zumindest die Menschen so führen, dass sie lernen mit der Ungewissheit umzugehen. Und das hat der Bundesrat mit seiner besonnenen Kommunikation bisher sehr erfolgreich getan. Und in einer Krise ebenso wichtig: Er hat rasch gehandelt. Das Tempo der unbürokratischen Kredithilfe in Zusammenarbeit mit den Banken ist beispiellos. Der Bundesrat beseitigt Ungewissheit, wo er dies zuverlässig tun kann.
Schlimmer als geführte Ungewissheit ist die Falschinformation. Wenn die Landesregierung zu früh und auf wackligem Wissensstand eines ihrer Szenarien als Richtschnur vorgibt, dann stellen sich Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft auf dieses Szenario ein. Das ist aus Reaktionen der Börse auf Zukunftsaussagen der Notenbanken bekannt. Wenn später die Situation dann doch anders ist, und der Weg nicht wie angekündigt gegangen werden kann, dann entstehen enorme Frustration und ein riesiger Vertrauensverlust für den Bundesrat. Er wird nicht mehr als Herr der Lage anerkannt und die Disziplin im Volk beginnt zu schwinden. Dieses Worst-Case-Szenario gilt es mit aller Kraft zu vermeiden.
Die Krise braucht Führung, und die gehört der Exekutive. Selbstverständlich dürfen deswegen die demokratischen Mechanismen nicht vergessen gehen. Die Forderung, dass das Parlament wieder tagen müsse, ist richtig. Aber sie ist unnötig. Denn die Büros von National- und Ständerat haben bereits am 19. März darüber informiert, dass die Termine für die Mai- und Junisession vorderhand bestehen bleiben und ein “Alternativstandort im Raum Bern [gesucht werde], der das Abstandhalten während der Sitzungen ermöglicht”. Vier Tage später wurden die Räte von ihren Präsidien schriftlich darüber informiert, dass eine ausserordentliche Session einberufen werde. Es mutet deshalb etwas sonderbar an, wenn Tage später genau dies gefordert wird.
Wir sind zuversichtlich, dass sich der Bundesrat bald zum richtigen Zeitpunkt dazu äussern wird, wie es nach dem 19. April weitergeht. Die Forderung, der Bundesrat müsse jetzt sagen, wie es nach Ostern weitergeht, erfüllt sich von selbst und ist deshalb von geringem Wert.