Schild

Ein Hoch auf das Post-Postfaktische

Veröffentlicht: 2017

Ganz im Sinne sich immer rasch­er ablösender Entwick­lungszyklen ist es höch­ste Zeit sich anstatt dem bere­its schon abge­drosch­enen post­fak­tis­chen Zeital­ter dem post-post­fak­tis­chen zuzuwen­den. Der Frage also: Wie lange sind uns eigentlich die Fak­ten noch egal? Die Antwort ist so banal wie erfreulich: Das Fak­tis­che macht bere­its wieder Ter­rain gut.

Zwei Pro­fes­soren an der Uni­ver­si­ty of Wash­ing­ton in Seat­tle haben genug von alter­na­tiv­en Fak­ten und bieten einen Lehrgang an, in dem sie ihren Stu­den­ten beib­rin­gen wollen, wie sich Schwachsinn durch­schauen lässt (NZZ am Son­ntag). Auch die New York Times, wie andere renom­mierte Medi­en von US-Präsi­dent Don­ald Trump der Pro­duk­tion von Fake News bezichtigt, hat den Kampf um die Wahrheit aufgenom­men: Sie nutzte im Umfeld der Oscar-Ver­lei­hung den exk­lu­siv­en Sende­platz, um mit einem 30-Sekun­den-TV-Spot eine Kam­pagne zu starten. Ihre Botschaft: Die Wahrheit ist wichtiger als je zuvor.“ Diejeni­gen, die dem süssen Gift der Halb­wahrheit­en nicht erlegen sind, müssen sich Gehör ver­schaf­fen. Denk­ende Bürg­er und unab­hängige Medi­en kön­nten in Zeit­en, in denen die Gren­zen zwis­chen Pro­pa­gan­da und Nachricht­en ver­wis­chen, den Weg zurück zu ein­er Kul­tur all­ge­mein akzep­tiert­er Fak­ten weisen. 

Das ist ein ständi­ges Rin­gen, denn die Fak­ten liegen nicht auf der Strasse. Und die Fak­ten sind nie die ganze Wahrheit. Die Wahrheit ist ein Ide­al, zeit­los, ein über die Wirk­lichkeit hin­aus­re­ichen­der Sinn (Pla­ton). Das wirk­liche Leben sein­er­seits beste­ht nicht aus Fak­ten, son­dern aus Sichtweisen und Stand­punk­ten, die sich nicht sel­ten sog­ar wider­sprechen. Ger­ade Poli­tik­er, die sich vorgenom­men haben die Welt zu verän­dern, lassen sich nicht gerne vorschreiben, an welche Art von Wirk­lichkeit sie sich zu hal­ten haben. Deshalb ist es entschei­dend, dass wir uns an ver­schiede­nen Quellen unter­schiedlichen Couleurs ori­en­tieren kön­nen, um über die indi­vidu­elle Fil­terblase hin­aus die ver­schiede­nen Sichtweisen einzuord­nen. Wie will man Ord­nung schaf­fen bei dieser Infor­ma­tions­flut? Wie will man die Infor­ma­tio­nen über­prüfen? Es bedarf dazu kuratiert­er Medi­en, die uns helfen her­auszubekom­men, welche Stand­punk­te Sinn machen und welche nicht.

Und tat­säch­lich: Kri­tis­ch­er Jour­nal­is­mus scheint ein Come­back zu erleben: Im Feb­ru­ar ist die Leserzahl der New York Times – gedruckt und dig­i­tal – erst­mals über 3 Mil­lio­nen gestiegen. Allein im vierten Quar­tal 2016 hat sie fast 276000 Dig­i­ta­l­abon­nements verkauft, mehr als 2013 und 2014 zusam­men. Ins­ge­samt hat die Zahl der Online-Abon­nen­ten ver­gan­ge­nes Jahr um rund 50 % auf 1,9 Mil­lio­nen zugenom­men (Finanz und Wirtschaft: Bas­tio­nen gegen Fake News). Und der Aktienkurs ist seit der Präsi­dentschaftswahl mehr als dreiein­halb Dol­lar auf aktuell über 14 Dol­lar gestiegen (Höch­st­stand: 13. Feb­ru­ar 2017: 16,25 Dollar).

Da darf man doch hof­fen, dass der ganze Hype um Fake News und Post­fak­tis­ches let­ztlich die tra­di­tionellen Medi­en stärken wird und sie als erste Gewin­ner aus der Trump’schen Episode her­vorge­hen wer­den. Ein Ver­schwörungs­the­o­retik­er würde jet­zt wohl behaupten, dass dieser Hype von ebendiesen Medi­en insze­niert wurde, um die eigene Glaub­würdigkeit und damit die eige­nen Auflagezahlen zu stärken.