
Mit künstlicher Intelligenz in den Fettnapf
In den Social Media lauern Fettnäpfe und Fallgruben. Ihre direkten Verwandten heissen Shitstorm und Cybermobbing. Dagegen gab es bisher nur ein überschaubares Arsenal an Abwehrwaffen: Die biedere Abstinenz, der scharfe Menschenverstand und die professionelle Krisenkommunikation. Allerdings wirkt Social Media-Abstinenz zunehmend ausgrenzend. Und der Menschenverstand — insbesondere unter dem Einfluss von übermässiger Hormonausschüttung, Alkohol oder anderen Drogen – wird immer mal wieder eindrücklich ausser Kraft gesetzt. Man könnte deshalb mit gutem Grund argumentieren, dass Krisenkommunikation die einzig zuverlässige Massnahme sei gegen grössere Beschädigungen des eigenen Image.
Jetzt wird aber aufgerüstet: Vor ein paar Tagen hat das amerikanische Technologie-Magazin Wired darüber berichtet, dass Facebook sich anstrengt mittels künstlicher Intelligenz zukünftig Personen davor zu warnen, wenn sie potenziell schädliche Bilder von sich auf dem Netz veröffentlichen wollen. Funktionieren wird das offenbar massgeblich mittels Bilderkennungs-Technologie, welche unterscheiden soll zwischen derselben Person — im nüchternen und im betrunkenen Zustand.
Einmal abgesehen davon, dass es auch Personen gibt, die im angetrunkenen Zustand vorteilhafter aussehen als nüchtern, dürfte das Internet zukünftig also sauberer aber auch langweiliger werden. Meint man. In der Realität ist es wohl eher wie mit den Assistenzsystemen im Auto: Sie helfen dem Fahrer, ersetzen aber nicht die Notwendigkeit aufmerksam zu sein. Auch ABS kann die Physik nicht ausser Kraft setzen. Und wenn jemand unvorteilhafte Bilder von sich aufs Internet laden will, weil er zu betrunken ist um zu realisieren was er sich gerade antut, dann ist er wohl in einem Zustand der Selbstüberschätzung, wo ihn die Warnmeldung von Facebook eher amüsiert denn zur Vernunft bringt.
Die erfreuliche Nachricht lautet also: Trotz hartnäckiger Bestrebungen in dieser Richtung haben gesunder Menschenverstand und Eigenverantwortung vorderhand nicht ausgedient. Und weil sie aber dann und wann pausieren – vgl. oben – wird auch die Konjunktur der Krisenkommunikation im Netz noch etwas anhalten. Auch und insbesondere solange Facebook kein vergleichbares Rezept hat gegen schädliche Texte.