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Datenjournalisten gesucht

Veröffentlicht: 2016

Die Auswer­tung von Daten­ma­te­r­i­al und Sta­tis­tiken ist im Jour­nal­is­mus weit­er auf dem Vor­marsch. Anfang Woche wurde ein Artikel pub­liziert, der aufzeigt, dass im Her­renten­nis auf höch­stem Niveau sys­tem­a­tisch Wet­t­be­trug began­gen wurde. In ein­er von Buz­zfeed und BBC durchge­führten Analyse wur­den zwis­chen 2009 und 2015 rund 26000 Ten­nis­spiele unter­sucht. Der zugrun­deliegende Algo­rith­mus analysiert die Entwick­lung von Wet­tein­sätzen vor und während Spie­len und fand her­aus, dass 16 Spiel­er regelmäs­sig Spiele ver­loren, in denen Sie klar favorisiert waren und gle­ichzeit­ig auf­fal­l­end stark gegen sie gewet­tet wurde. Wer genau betrof­fen ist, wurde nicht kom­mu­niziert; man weiss einzig, dass die Hälfte dieser Spiel­er an den derzeit stat­tfind­en­den Aus­tralian Open antreten, und sich Grand-Slam-Gewin­ner darunter befind­en sollen.

Der BBC und Buz­zfeed ist damit ein ver­i­ta­bler Coup gelun­gen, hat sich die Mel­dung doch wie ein Lauf­feuer in den kon­ven­tionellen wie auch neuen Medi­en ver­bre­it­et. Der zuständi­ge Jour­nal­ist John Tem­plon hat­te sich 15 Monate mit dem Fall auseinandergesetzt. 


I don’t play ten­nis. I’m a num­bers guy.“

Der Erfolg dieser Geschichte und die zunehmende Bedeu­tung von Daten­jour­nal­is­ten“ lassen einige Schlüsse zu. Erstens sind diese Geschicht­en für die Her­aus­ge­ber wichtig, da sie das Poten­tial zu ein­er grossen Ver­bre­itung haben, auch über die Lan­des­gren­zen hin­aus. Da sich mith­il­fe der ange­wandten math­e­ma­tis­chen Mod­elle sta­tis­tisch sig­nifikante Zusam­men­hänge her­stellen lassen, sind sie ein­fach­er nachzu­vol­lziehen als von Autoren aufgestellte The­sen. Um diese Geschichte zu wider­legen, müsste zuerst jemand ein Mod­ell aufgestellen, das andere Schlüsse zulässt.

Zweit­ens hat die Auswer­tung und Darstel­lung von Dat­en dank der stetig wach­senden Anzahl ver­füg­bar­er Zahlen und Sta­tis­tiken einen immer grösseren Stel­len­wert. Viele Medi­en­häuser sind daran, ganze Fachteams aufzubauen, welche grosse Men­gen von Dat­en auswerten, diese grafisch auf­bere­it­en und Geschicht­en dazu entwick­eln kön­nen. Durch diese Entwick­lung haben Daten­jour­nal­is­ten unter den Medi­en­schaf­fend­en stark an Bedeu­tung gewon­nen. Diejeni­gen Per­so­n­en, die solche Daten­men­gen zu analysieren imstande sind, haben – wie Tem­plon – meis­tens eine Aus­bil­dung im Bere­ich Com­put­er Sci­ence oder Pro­gram­mieren absolviert. Doch wie kön­nen geeignete Infor­matik­er dazu gebracht wer­den, in die Medi­en­branche zu wech­seln? Dazu müssten Medi­en­häuser imstande sein, Infor­matik­ern attrak­tive Arbeits­be­din­gun­gen zu bieten, und weit­er sollte ihnen für die Arbeit genü­gend Zeit und Frei­heit­en gewährt wer­den. Ob allerd­ings Medi­en­häuser Infor­matik­ern inner­halb der Redak­tion Priv­i­legien ein­räu­men und Top­in­for­matik­er so ange­zo­gen wer­den kön­nen, ist zumin­d­est fraglich. 

Es dürfte allerd­ings eine Frage der Zeit sein, bis Infor­matik­er einen inte­gralen Bestandteil der Redak­tio­nen darstellen. Diese soll­ten damit begin­nen, Infor­matik­er früh – gle­ich nach der Lehre oder dem Studi­um – anzustellen und im Redak­tion­sall­t­ag zu inte­gri­eren. In der Schweiz dürfte das zwar noch ein paar Jahre dauern, aber bess­er spät als nie!